Die Sinfonietta Dresden spielt sich wacker unter dem Radar der größeren Öffentlichkeit hindurch. Dabei wird das Orchester demnächst schon 20 Jahre alt. In der Dreikönigskirche hat es – sozusagen genau in der Mitte zwischen sattem Semperopernklang und dem spillrigen Hellerau – seine Heimstätte gefunden.
Dorny und kein Ende. Kulturpalast-Querelen. Der Kreuzchor braucht ein größeres Alumnat. In Hellerau dräut neues Forsythe-Unbill… An Kulturnachrichten, guten wie schlechten, ist in Dresden kein Mangel.
Nun ist es mit der Sinfonietta Dresden wie mit den Galliern bei Asterix: ein kleines, feines, unabhängiges Orchester spielt sich unter dem Radar hindurch, hält durch, macht immer weiter. Dass die Sinfonietta Dresden dieses Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen mit vier Festkonzerten feiert, gilt es da einmal laut herauszutrompeten, denn – dazu später ausführlicher – die Programme des Ensembles sind ausnahmslos ziemlich spektakulär. Nur wissen wenige davon. Denn, und das wäre selbstkritisch anzumerken, auch die „Sächsische Zeitung“ berichtet selten von diesem Klangkörper.
Die zwanzig Jahre sind übrigens noch tiefgestapelt, gründete sich das Orchester doch eigentlich schon in den Achtziger Jahren, auf Anregung von Hans-Christoph Rademann hin, zeitgleich mit dem Dresdner Kammerchor. Rademann meinte damals, zu seinem Chor müsse es am besten auch ein Orchester geben. Der Name, „Junges Dresdner Kammerorchester“, ergab sich, da die Mitglieder fast alle an der Hochschule studierten. Der Chorleiter selbst war Mitte der Achtziger aushilfsweise Kantor an der Apostelkirche, der Kommilitone Peter Kopp half an der Martin-Luther-Kirche aus. So erschloss sich das Ensemble früh Kirchen als Konzertstätten. Viele Bande, die in dieser Zeit zu Kantoren und Kirchgemeinden geknüpft wurden, halten bis heute.
„In der ersten Zeit sind wir mit dem Dresdner Kammerchor beim Tag der Sachsen aufgetreten“, erinnert sich der Flötist der ersten Stunde, Olaf Georgi, „reisten zu Konzerten nach Prag und Bratislava…“ Als sich der Kammerchor mehr in Richtung Barock orientierte, begleitete ihn immer öfter das Dresdner Barockorchester. Die Sinfonietta, wie die alten Mitstreiter sich ab 1994 nannten, wollten die große Bandbreite ihres Repertoires, das bis in die Moderne reicht, aber nicht missen. Sie suchten sich neue Partner, übernahmen ab 1995 regelmäßig die Uraufführungen der Kinderkomponistenklasse Halle/Dresden oder spielten bei den Tagen der zeitgenössischen Musik. Die Konzertreihe „Spannungen“, in der das Ensemble unter der Leitung von Milko Kersten Werke von Mozart denen zeitgenössischer Komponisten gegenüberstellt, erlangte Kultstatus unter den Kennern.
Künstlerisch gesehen, hat sich nach dem Kammerchor nun die Singakademie Dresden zu einem der wichtigsten Partner entwickelt. Die „Adventssterne“, die seit ein paar Jahren vor Weihnachten aufleuchten, haben die Orchestermusiker programmatisch mit dem Singakademie-Leiter Ekkehard Klemm entwickelt.
Bald kamen Anfragen von der Kirchenmusikhochschule und dem Chorleiter Christfried Brödel dazu; relativ regelmäßig arbeitet die Sinfonietta inzwischen auch wieder mit dem Kreuzchor zusammen. Aber auch „Muggen“ in der sächsischen Provinz nimmt das Ensemble an, irgendwie muss die ganze Arbeit ja auch finanziert werden. Wichtiger für den Ruf des Orchesters jedoch sind die vielen Uraufführungen im Bereich der Chorsinfonik, neben unzähligen Uraufführungen junger sächsischer Komponisten und bedeutender Tonschöpfer aus Osteuropa.
Aus der Anfangszeit, erzählt Olaf Georgi, seien heute nur noch ein paar Leute dabei. Projektweise werden die Instrumentalisten ja jeweils zusammengerufen, es gibt einen Stamm an Mitspielern, der Generationswechsel vollzieht sich allmählich. Früher habe ein Drittel der Sinfonietta aus freischaffenden Musikern, ein Drittel aus hauptberuflichen Orchestermusikern – aus Dresden, vor allem aber aus der Staatsoperette, aus Radebeul, aus dem Umland bis Chemnitz –, und das letzte Drittel aus Studenten bestanden. Heute seien es etwas mehr freie Musiker.
Mit der öffentlichen Wahrnehmung aber, das gibt der Flötist zu, hapere es manchmal noch etwas. Die Tageszeitungen stürzten sich eben eher auf die großen Happen, die kleineren Ensemble müssen manchmal zurückstecken, die feinen Nuancen gehen manchmal unter in dem Öffentlichkeitsstrudel. Nun ja: „Jeder muss sehen, wo er in dieser Stadt seinen Platz findet!“ Klar: die Konzertbesucher, die kommen, sind angetan, aber sie müssen eben erst einmal angefüttert werden. Es sind noch zu wenige Dresdner, die mit dem Orchester etwas anfangen können; Touristen kennen das Orchester so gut wie gar nicht.
Dennoch, auf den beiden Beinen – eigene, anspruchsvolle Konzertreihen und kommerziell motivierte Projekte – steht die Sinfonietta inzwischen solide, auch wenn diese Dualität vielleicht manchmal für den Ruf des Ensembles nicht ganz glücklich nach außen kommuniziert wurde. In der Dreikönigskirche hat man – sozusagen genau in der Mitte zwischen sattem Semperopernklang und dem spillrigen Hellerau – seine Heimstätte gefunden.
Nun noch zu den Inhalten der Festprogramme, für die die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz die Schirmherrschaft übernommen hat. Die Sinfonietta ist sich und ihrem Publikum wiederum höchste Spannung schuldig! Folglich erklingen im April Werke von Mozart (unter anderem Arien, gesungen von der Sopranistin Marie Friederike Schröder), aber auch von Silke Fraikin und dem Rumänen Tiberiu Olah, einem früheren Kompositionsprofessor am Budapester Konservatorium. Nach Konzerten unter Christfried Brödel, Markus Leidenberger und Christiane Büttig übernimmt Judith Kubitz das zweite Festkonzert im September: neben Mozart und Beethoven erklingt dann eine Uraufführung von Sebastian Elikowski-Winter.
Martin Morgenstern

