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Die Elbe fließt aus den Anden

Caminho, ein Name, ein fester Begriff: Der musikalische Brückenschlag von Chile nach Dresden und wieder zurück. Soeben ist die Truppe um den chilenisch-deutschen Musiker Alejandro León Pellegrin volljährig geworden. Und pünktlich zum achtzehnten Geburtstag gibt es auch eine neue CD.

Die Vorab-Premiere der jüngsten Caminho-CD gab es exklusiv in Dippoldiswalde, wo die Band als musikalischer Gast beim Kulturgespräch Rotes Sofa mitwirkte. Frisch aus dem Presswerk kam da die neueste Scheibe mit auf die Couch. Erste Live-Ausschnitte aus „Volviendo“ ließen den Saal beben. Das eigentliche Release-Konzert zu dieser CD gabs am 4. Mai im Kleinen Haus des Dresdner Staatsschauspiels. Tags drauf bestritt das deutsch-chilenische Quartett die Lesenacht des 19. MDR-Literaturwettbewerbs im Haus des Buches in Leipzig. Für Stimmung war also allerorts bestens gesorgt.

Wer nun bei einer Band wie Caminho südamerikanisches Flair erwartet, weiß auch um die Eulen in Athen. Blutvolle Rhythmen voller Spielfreude und Virtuosität sind Markenzeichen und Selbstverständlichkeit bei diesem 1996 gegründeten Ensemble. Das heißt aber nicht, dass auf leise Töne verzichtet werden muss. Im Gegenteil, mehrere Titel in diesem Dutzend neuer Aufnahmen zeichnen sich durch eine Verhaltenheit aus, die zum gründlichen Eintauchen in jene Welt des Aufeinandertreffens von traditionellen südamerikanischen Einflüssen und westlicher Moderne geradezu einladen. Als würde die Elbe geradewegs aus dem dichten Grün der Anden fließen. Die Musiker nehmen sich Freiheiten und lassen sich Zeit für bezaubernde Soli, bringen zwischendurch immer mal wieder ganz wie nebenher ihre handwerklichen Qualitäten des Ensemblespiels ein und bewirken so einen in sich durchaus geschlossenen Eindruck voller Vielfalt.

Schwung und Elan sind da jederzeit mit von der Partie, doch manchmal gönnt man sich direkt besinnliche Momente, während etwa die Klarinette um ein hübsches Thema kreist, die Gitarre das Tempo grundiert, der Bass das Schrittmaß vorgibt oder das Schlagwerk unsichtbar perlt. Die gesungenen Parts verheißen Ausflüge in südamerikanische Stimmungslagen aus Lebensfreude und Melancholie, dass mittendrin ein originelles Arrangement des „Mediterranean Sundance“ von Al Di Meola und Paco de Lucia Sopransax und Gitarre einander umschwirren lässt, mag ein Fremdkörper sein, passt aber ins schwelgerische Gefühl dieses Albums.

Alejandro León Pellegrin als Sänger, Gitarrist und Stückeschreiber nimmt es kongenial mit seinen hiesigen Mitstreitern auf, die sich an Saxofonen und Klarinette (Bertram Quosdorf), Kontra- und E-Bass (Michael Burkhardt) sowie Schlagzeug (Matthias Macht) als perfekt eingespielt erweisen. Als perkussiver Gast fügt sich Jörg Ritter in diese Klangwelten ein, die immer wieder tänzerische Impulse setzen und mit äußerst farbig klingenden Tönen in die versunkenen Welten aus hundert Jahren Einsamkeit entführen.

Was fehlt da? Ein Urlaubsticket vielleicht, um an den Ursprungsort dieser Künste zu reisen – und eine deutsche Textübersetzung im Booklet. Beides dürfte gewiss zu noch tieferem Verständnis von „Volviendo“ beitragen.

Michael Ernst

Caminho spielt am 22. Mai in Chemnitz im "Weltecho", am 12. Juli zur Museumsnacht im Dresdner Hygienemuseum und am 15. August zum Dresdner Stadtfest.

<link http: www.caminho.de>www.caminho.de

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