Konzeptionell sind die sächsischen Jazzfestivals ganz verschieden orientiert. Und wie sieht es mit der Förderung aus? Ein Rundumblick.
Sachsen hat fünf Festivals für modernen Jazz: die Freiberger Jazztage, die Leipziger Jazztage, die Jazztage Dresden, die Jazztage Görlitz sowie das Festival Frei Improvisierter Musik in Dresden. Konzeptionell sind sie alle ganz verschieden orientiert und getragen werden sie von nichtkommerziellen Veranstaltern – von gemeinnützigen Vereinen, Interessengemeinschaften oder Initiativen (eine Ausnahme bilden die Jazztage Dresden, die von der Agentur Grandmontagne veranstaltet werden). Dazu kommt mit dem Kinderjazzfestival noch eine Spezialität – ein in Leipzig stattfindendes, bundesweites Festival zur Förderung von jungen und hochmotivierten Musikern aus ganz Deutschland bis 16 Jahre. 2010 nach sechs Festivalausgaben eingestellt werden mussten die Dresdner »Jazzwelten«, die sich dem So-noch-nicht-Gehörten, den Begegnungen des zeitgenössischen Jazz mit anderen Musikkulturen und Künsten und der Nachwuchsförderung verschrieben hatten, aber an finanziellen Problemen und wohl auch einigen internen Querelen scheiterten.
Ohne öffentliche Förderung geht nichts
Grundsätzlich stellt sich im Jazz die Frage nach einem Förderkonzept. Nach den Auffassungen einiger Kulturwissenschaftler sollten gerade jene Projekte gefördert werden, die sich ohne Förderung kommerziell niemals durchsetzen würden. Eine solche »Kompensationsförderung« soll verhindern, dass letztlich das Geld bestimmt, was künstlerisch wertvoll, also erstrebenswert ist; sie soll ein möglichst breitgefächertes Angebot gewährleisten. Für öffentlich geförderte, gemeinnützige Veranstalter müsse nämlich, so die Vertreter dieser Auffassung, gelten: Nur das, was dem Publikum an Vielfalt und Innovation angeboten wird, kann es wertschätzen (lernen). Wer immer wieder auf die Erfolgsnummern setzt, betreibt Anti-Kultur. Denn er enthält dem Publikum jeweils Neues und Interessantes vor, anstatt dazu beizutragen, es mit dem gesamten und vielfältigen Reichtum des Jazz und der jazzverwandten Musik bekannt zu machen.
Ein anderes Förderkonzept besagt, dass nur solche Projekte gefördert werden sollten, die realistische Aussichten darauf haben, sich »am Markt« auch recht bald kommerziell durchzusetzen, denn ansonsten würde man ja Fördergelder in den Sand setzen. Diese Art »Anschubförderung« ist eigentlich keine Kultur-, sondern eine Wirtschaftsförderung; sie spielt für die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen keine Rolle.
In Sachsen fördert die Kulturstiftung des Freistaats Projekte mit überregionaler Bedeutung, die jeweiligen Kulturräume solche mit regionaler Bedeutung. Nach welchen Kriterien aber wird konkret entschieden, welche Projekte gefördert werden? Die Förderrichtlinie der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen bleibt allgemein: »Ziel der Förderung ist die Schaffung von Voraussetzungen zur freien Entfaltung von Kunst und Kultur, insbesondere durch die Entwicklung neuer künstlerischer Ausdrucksformen, die nachhaltige Vermittlung von Kunst und Kultur, die Förderung des künstlerischen Nachwuchses, die Pflege des kulturellen Erbes sowie die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit.« Nähere qualitative Kriterien finden sich auch unter dem Punkt »Zuwendungsvoraussetzung« nicht.
Jazzkompetenz? Fehlanzeige!
Die Förderentscheide sind also ganz überwiegend der Arbeit des Fachbeirates Darstellende Kunst und Musik der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen überlassen, der die Förderanträge aus einem sehr weit gefächerten Feld – und damit auch die Jazzprojekte – diskutiert, bewertet und gutachterlich beurteilt sowie zur Entscheidung dem Vorstand der Kulturstiftung zuleitet. Dieser Fachbeirat hat sieben Mitglieder, die – zeitversetzt – nach dreijähriger Amtszeit durch neue ersetzt werden.
Zwar ist unbestritten, was der Stellvertretende Kulturstiftungs-Direktor Dr. Manuel Frey betont: »Wir bearbeiten die eingehenden Förderanträge sehr gründlich, engagiert und ernsthaft. Die Anträge durchlaufen in den Fachbeiräten mehrere Runden, bevor es zu einer Förderempfehlung kommt.« Aber in diesem Beirat gibt es de facto niemanden, der sich in der deutschen und sächsischen Jazzszene auskennt, der über Tendenzen im Jazz Bescheid weiß, der den Alltag der Jazzveranstalter kennt – kurz gesagt: Jazzkompetenz ist im Fachbeirat Fehlanzeige. Schon die Frage, was regionale und was überregionale Bedeutung hat, um herauszufinden, ob der jeweilige Kulturraum oder die sächsische Kulturstiftung wegen einer Förderung angesprochen werden sollte, ist nicht einfach zu beantworten. Ist damit gemeint, dass ein Projekt überregional (also wenigstens sachsenweit) wahrgenommen wird? Dann könnte man sich als Veranstalter mit einem sehr großen Werbebudget überregionale Präsenz erkaufen. Oder ist damit eine überregionale wirtschaftliche Bedeutung gemeint? Dann würden ja automatisch die großen Event-Kisten auch noch gefördert werden. Oder ist schließlich eine künstlerische Qualität gemeint, die sachsenweite Bedeutung hätte? Dafür bieten jedoch die Förderrichtlinien der Kulturstiftung keine Kriterien und die personelle Zusammensetzung des Fachbeirates keine Jazzkompetenz.
Förderung als Gütesiegel?
Freys weitere Aussage – »Wenn wir fördern, so ist das auch immer als Gütesiegel zu verstehen, als sichtbares Signal dafür, dass die Einrichtung eine verlässlich gute Arbeit macht« – könnte da, bezogen auf einige vergangene Entscheidungen, eher noch für Irritationen sorgen, auch wenn manches für das Jahr 2014 korrigiert wurde. So wurde der Förderantrag der Freiberger Jazztage für den Jahrgang 2013 abgelehnt – sollte das nach 38 Festivaljahrgängen als Zeichen für einen Mangel an »verlässlich guter Arbeit« interpretiert werden? Für das Jubiläumsfestival 2014 jedoch erhalten die Freiberger etwas Geld. Und noch vor einigen Jahren wurden die Jazztage Dresden unter dem Stichwort »Nachwuchsförderung« mit einer satten Förderung vor allem dafür belobigt, dass sie das taten, was allerorten völlig normal ist: junge Bands ins Programm aufzunehmen. Andere Veranstalter, die sich mehrere Jahre lang engagierter und differenzierter um die Nachwuchsförderung kümmerten, gingen dagegen diesbezüglich leer aus. Auch dies wurde, zumindest, was die eine Seite des Problems betrifft, unterdessen korrigiert; die Jazztage Dresden erhielten 2013 keine Förderung mehr, nachdem sie von 2007 bis 2012 noch in ziemlich opulenter Weise gefördert worden waren.
Leipzig – und ein kümmerlicher Rest
Die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen hat im Jahr 2013 sieben Jazzprojekte mit insgesamt 52.100 Euro gefördert. Davon gingen 42.000 Euro – über achtzig Prozent – allein nach Leipzig. Weit mehr als die Hälfte der Gesamtsumme – 30.000 Euro – wurden für ein einziges Festival, für die Leipziger Jazztage, ausgegeben. Nur ein weiteres sächsisches Festival profitierte 2013 von den Geldern der Kulturstiftung – das in Görlitz mit 4000 Euro. Das restliche Geld ging an Einzelprojekte und Konzertreihen: etwa das Kinderjazzfestival »Kids Jazz L.E.« (5.000 Euro), das Festival der Leipziger Jazzmusiker, LeipJAZZig (4.000 Euro) oder den Nachwuchs-Jazzworkshop des Sächsischen Musikrats (2.600 Euro).
Fazit aus der Sicht des Jahrgangs 2013 und der jüngeren Vergangenheit: Solange es um innovative und stilistisch Grenzen überschreitende Programme und um das So-noch-nicht-Gehörte geht, ist die Kompensationsförderung des modernen Jazz in Sachsen, insbesondere der entsprechenden Festivals, unverzichtbar. Für Projekte mit überregionaler Bedeutung ist die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen eine wichtige Einrichtung. Da es dort im zuständigen Fachbeirat offenbar weder inhaltlich-konkrete Kriterien für die Förderwürdigkeit noch eine profunde Jazzkompetenz gibt, fallen gelegentlich auch schwer nachvollziehbare Förderentscheidungen. Für Veranstalter ist die daraus resultierende Planungsunsicherheit ein Problem. Planbar und eine sichere Bank scheint nur eines: das Leipziger Festival bekommt immer einen Löwenanteil der jährlichen Jazzfördersumme. Im Jahre 2013 knapp sechzig Prozent.
Mathias Bäumel
